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Frühe Diagnosen dank ganzheitlicher Tests

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2022

Ganzheitliche Blutanalysen besitzen einen hohen prognostischen Wert. Wie eine vollautomatische Verbindung von Hämatologie- und Hämostasetests Laborabläufe verbessern und Leben retten kann

Text: Verena Fischer

Erlauben Laborwerte einen Blick in die Zukunft? Während der COVID-19-Pandemie wurde der Wunsch nach einem solchen diagnostischen Frühwarnsystem laut. Denn überlastete Intensivstationen, sepsisgefährdete Erkrankte und drohende Triageentscheidungen erforderten Parameter, die zuverlässige Verlaufsprognosen ermöglichen. Es dauerte dann nicht lange, bis Forschende belegten, dass SARS-CoV-2-Infektionen Blutwerte messbar verändern. Einige Parameter wie IL-6 und D-Dimere zeigten sogar eine hohe prognostische Bedeutung in Bezug auf Verlaufsschwere und Mortalität auf.

Ganzheitlichkeit ist das Stichwort

COVID-19 hat also die hohe diagnostische Bedeutung von Blutparametern erneut verdeutlicht: Sowohl Hämatologie- als auch Gerinnungswerte sind es, die schwere Verläufe frühzeitig vorhersagen. Bisher werden die Bereiche Hämatologie und Hämostase jedoch oft getrennt ausgewertet. Dabei können kombinierte Messungen vorteilhaft für Klinikerinnen und Kliniker, Patientinnen und Patienten sowie Labors sein. Um diese Kombination unkompliziert zu implementieren, bietet Sysmex ein erstes Crossover-Labor* an, das aus der bewährten XN-9100-Hämatologiestraße und dem neuen Gegenstück der Hämostaseautomation, dem CN-Track, besteht.

Kurzvisite in Südafrika

Wann sind kombinierte Messungen vorteilhaft? Darauf kann Dr. Marion Münster in ihrem Büro in Johannesburg Antwort geben. Die Hämatologin war viele Jahre zunächst als klinische Ärztin und dann als Pathologin im Hämostaselabor an der Universitätsklinik in Johannesburg tätig, seit 2008 ist sie Director der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung von Sysmex.

Frau Dr. Münster, Sie haben aktiv an den Studien zum COVID-19 Prognostic Score mitgewirkt. Wie liefen diese ab?

Wir haben in Kooperation mit elf europäischen Kliniken das große Blutbild von 982 bestätigten erwachsenen COVID-19- Erkrankten retrospektiv auf charakteristische Muster untersucht. Wichtig für die Analyse waren Alter, Geschlecht, klinischer Schweregrad, Symptomdauer und Krankenhaustage. Die beobachteten Muster bildeten die Grundlage für die Entwicklung eines prognostischen Scores mit mehreren hämozytometrischen Parametern, mit dem innerhalb der ersten drei Tage nach Einlieferung vorhergesagt werden kann, welche Patientinnen und Patienten intensivpflichtig werden. In dieser Studie war der Prognose-Score jedem einzelnen Parameter bei der Unterscheidung des klinischen Schweregrads überlegen.

Beim Prognostic Score ging es um eine rein hämatologische Analytik. Bringen kombinierte Hämostasebestimmungen Vorteile?

Auf jeden Fall. Denn viele COVID-19-Erkrankte weisen Gerinnungsstörungen auf, die vor allem durch einen erhöhten D-Dimer-Wert, aber auch durch eine verlängerte Prothrombinzeit, niedrige Thrombozytenzahlen und andere Laboranomalien gekennzeichnet sind. In kritischen Fällen wird eine Thrombose festgestellt, die ein erhöhtes Sterberisiko mit sich bringt. Der Grad der Abweichung dieser Hämostaseparameter und anderer hämatologischer Werte in Kombination sowie insbesondere die Entwicklung der Werte im Zeitverlauf sind von großer prognostischer Bedeutung. Die kombinierte Analyse von Gerinnungs- und Hämatologieparametern erlaubt eine ganzheitliche Überprüfung der Ergebnisse und bietet so die Möglichkeit, Patientinnen und Patienten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines ungünstigen Ausgangs frühzeitig zu erkennen.

Sind solche ganzheitlichen Analysen vor allem für die Intensivmedizin relevant?

Ich glaube, dass diese kombinierte Messung für klinisches Personal im Allgemeinen von Nutzen ist. Die Idee hinter dem Konzept ist ja, dass beispielsweise bei der Entdeckung hämatologischer Anomalien automatisch die Anforderung eines Gerinnungstests erfolgt und umgekehrt. Daraus ergibt sich die Chance, beispielsweise eine Sepsis oder andere ernste Erkrankungen wie eine disseminierte intravasale Koagulopathie, kurz DIC, zu erkennen, bevor Erkrankte intensivpflichtig werden oder bevor überhaupt Symptome spürbar sind. Solche schnellen integrierten Ergebnisberichte können unterstützen und verbesserte Ergebnisse ermöglichen. Ein großes Potenzial dafür sehe ich vor allem in Notaufnahmen.

Sie haben die DIC genannt. Welche Ursachen hat die Erkrankung?

Bei der disseminierten intravasalen Gerinnung kommt es zu einer exzessiven Bildung von Thrombin und Fibrin im zirkulierenden Blut. In Folge steigern sich die Verklumpung von Blutplättchen und der Gerinnungsfaktorverbrauch. Die DIC hat viele Ursachen, darunter Schwangerschaftskomplikationen wie Plazentaabbruch, Plazentarückstau nach der Geburt oder Fruchtwasserembolien. Auch Traumata mit schweren Gewebeverletzungen wie großflächige Verbrennungen oder Hirnverletzungen, Sepsen, ABO-inkompatible Bluttransfusionen, akute Bauchspeicheldrüsenentzündungen und bestimmte Krebsarten, vor allem die akute promyelozytäre Leukämie zählen dazu.

Gibt es weitere Erkrankungen, die mittels kombinierter Messung frühzeitig identifiziert werden können?

Ja, da wären etwa Mikroangiopathien. Das sind Erkrankungen, die sich typischerweise mit Thrombozytopenie und Erythrozytenfragmentierung manifestieren, wozu auch die DIC gehört. Es gibt aber weitere Krankheitsbilder wie die thrombotische thrombozytopenische Purpura (TTP), die einen medizinischen Notfall darstellt und eine andere Behandlung als die DIC erfordert. Hier können ganzheitliche Blutparameter eine schnelle und präzise Diagnostik und Therapie ermöglichen.

Woran liegt es, dass Gerinnungs- und Blutmessungen bisher vor allem in unterschiedlichen Abteilungen vorgenommen wurden?

Das ist von Labor zu Labor und von Land zu Land sehr unterschiedlich. Im Allgemeinen denke ich, dass es eine Frage der Arbeitsbelastung ist, wobei Labore großen Wert auf eine schnelle Durchlaufzeit der Ergebnisse legen und einfach nicht die Zeit für eine integrierte Analytik haben. Außerdem sind hämatologische Tests hochgradig automatisiert, wobei fast alle Proben einem standardisierten Arbeitsablauf folgen. Gerinnungstests brauchen in der Regel mehr Zeit und eine individuelle Bearbeitung auf der Grundlage der beobachteten Ergebnisse oder der vorliegenden Krankengeschichte. Letztendlich liegt es in der ärztlichen Verantwortung, die Ergebnisse im Zusammenhang mit allen verfügbaren Informationen zu interpretieren, nicht nur mit den Labortests.

Besuch der BloodScience Workcell

Von Dr. Münster im südafrikanischen Johannesburg geht es nach Deutschland, in die Sysmex Niederlassung nach Norderstedt nahe Hamburg. Dort präsentiert Johannes Altmeppen das neue Crossover-Labor, die sogenannte BloodScience Workcell. Die Automationseinheit aus der Analysestraße XN-9100 und dem CN-Track, der Hämostaseautomation, ist aktuell das einzige Konzept, dass die automatisierte Bestimmung von Hämatologie- und Gerinnungsparametern in Kombination ermöglicht.

Herr Altmeppen, welche Vorteile ergeben sich für Labore durch die BloodScience Workcell?

Eine intelligente Kombination von Hämatologie- und Hämostasetests bringt bessere Arbeitsabläufe im Labor mit sich. Der kombinierte Automatisierungsansatz reduziert manuelle Berührungspunkte und spart Zeit, weil sowohl der Citrat als auch der EDTA-Workflow bedient werden kann. Da beide Systeme von Sysmex sind, ist die Bedienung der Automationskomponenten für Hämatologie und Hämostase völlig identisch und sorgt so für reibungslose und standardisierte Routineabläufe. Durch die Kombination der Softwaretools Caresphere™ und Extended IPU wird das Automatisierungskonzept für beide Disziplinen in ein Workflow- und IT-Konzept eingebettet. Auch die Wartung ist sehr unkompliziert. Die Robustheit des XN-9100 ist bekannt, und stabile Schienenkomponenten brauchen deutlich weniger Service als Total-Lab-Automations (TLA)-Anlagen.

Für welche Labore ist das geeignet?

Die BloodScience Workcell ist für ein Probenaufkommen von bis zu 500 EDTA-Röhrchen und 250 Citratröhrchen pro Stunde ausgelegt. In diese Komfortzone fallen größere Krankenhauslabore und solche, die einen Einstieg in die Laborautomation nutzen wollen, um unkompliziert beide Arbeitsbereiche optimal miteinander zu verbinden. Es lassen sich intelligente, modulare und maßgeschneiderte Konfigurationen gestalten und es gibt gemeinsame Schulungsplattformen für Servicetechnik und Bedienung. Die Installations- und Implementierungszeiten sind so kurz, dass wir dieses Automatisierungskonzept in wenigen Wochen in die Praxis umsetzen können.

Wie lässt sich das in die Arbeitsabläufe integrieren?

Dazu muss man sagen, dass es zwei Strategien gibt, um manuelle Prozesse zu automatisieren. Einmal die separate Automation der jeweiligen Arbeitsbereiche, zu der Insellösungen gehören, beispielsweise für das Serum- oder EDTA-Röhrchen. Die zweite Strategie ist TAL, also eine Gesamtautomation mit Anschluss aller Arbeitsbereiche. Die erste Strategie hat den Vorteil, dass Kapazitäten für Analyseeinheiten, Probenvorbereitung und anfallende Probenmengen ziemlich genau geplant und falls nötig auch später angepasst werden können. Die zweite Strategie verbindet mehrere Arbeitsbereiche und deren Probenvorbereitung miteinander, was ein hohes Einsparungspotenzial generiert. Problematisch ist dabei, dass auch Proben, die keinerlei oder kaum präanalytische Prozesse benötigen, wie EDTA- oder Citratröhrchen, unnötig viel Zeit auf der Straße verbringen. Das kann zu Peakzeiten einen unnötigen Probenstau verursachen. Eine separate Abarbeitung dieser Röhrchentypen, beispielsweise mithilfe der BloodScience Workcell, könnte in einer TLA-Umgebung zusätzliche Kapazitätspotenziale freilegen.

Warum beinhaltet die BloodScience Workcell keine integrierte Zentrifuge? Ist diese nicht für Citratröhrchen vorteilhaft?

Integrierte Zentrifugen bergen das Risiko, ein sogenannter „Single Point of Failure“ zu sein. Das bedeutet, dass bei einem Fehler in der Zentrifuge das ganze System nicht mehr betriebsbereit ist. Außerdem erhöhen integrierte Zentrifugen die Turnaround- Time (TAT) wegen der notwendigen Batchprozesse und sind daher kostenintensiv. Externe Zentrifugen haben den Vorteil, Batchprozesse mit geringerer TAT und Back-up-Funktionalität durch die Verwendung mehrerer Einheiten optimieren zu können. Die Kosten betragen insgesamt daher etwa nur zehn Prozent eines integrierten Zentrifugenmoduls.

*Nur verfügbar in ausgewählten Ländern

Summary

  • Ganzheitliche Blutanalysen ermöglichen eine frühzeitige Diagnose schwerer Erkrankungen
  • Die BloodScience Workcell ist eine Kombination aus der XN-9100-Hämatologiestraße und der Hämostaseautomation CN-Track
  • Die kombinierte Messung von Hämatologie- und Hämostasetests kann Arbeitsabläufe im Labor verbessern
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