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Effizientes Monitoring der Stammzellapharese

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2022

 

Wann kann die Stammzellentnahme beginnen? Prof. Alexander Baraniskin und Dr. Mustafa Kemal Özçürümez berichten, wie die XN Stem Cells-Applikation bei der Bestimmung des richtigen Zeitpunkts hilft

Text: Jutta Wohlfahrt

Die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen (haematopoietic stem cell transplantation, HSCT) ist ein etabliertes therapeutisches Verfahren für Betroffene von bestimmten hämatologischen Systemerkrankungen, Tumorleiden, immunologischen Störungen sowie angeborenen Stoffwechselerkrankungen. Dabei werden Stammzellen von Gesunden an Erkrankte übertragen (allogene Transplantation) oder Betroffene erhalten körpereigene Stammzellen (autologe Transplantation). Die Grundlage ist die Erkenntnis, dass das erheblich beeinträchtigte blutbildende System, beispielsweise das Knochenmark, durch eine Stammzelltransplantation vollständig und dauerhaft wiederhergestellt werden kann. Vor etwa einem Jahr starteten Prof. Dr. med. Alexander Baraniskin und PD Dr. med. Mustafa Kemal Özçürümez eine Studie im Zusammenhang mit verschiedenen hämatologischen Erkrankungen, um die Genauigkeit der schnelleren XN Stem Cells-Methode bei der Bestimmung von Stammzellen mit dem Goldstandard zu vergleichen, der Immunphänotypisierung auf CD34+- Zellen. Im Interview berichten sie über ihre Erfahrungen mit der automatisierten Methode der XN Stem Cells-Applikation.

Die Behandlung von Menschen mit Krebserkrankungen hat sich mit der Option auf eine Stammzelltransplantation in den letzten Jahren verbessert – wie sind Ihre Erfahrungen hierzu?

HERR PROF. BARANISKIN Die autologe Stammzelltransplantation wird seit mehr als drei Jahrzehnten erfolgreich in der Therapie von diversen malignen und nichtmalignen Erkrankungen eingesetzt. Das Verfahren hat sich bewährt und ist mit einer periprozedalen Mortalität von unter fünf Prozent sehr sicher. Die häufigste Indikation für eine autologe Stammzelltransplantation sind derzeit multiple Myelome und Lymphomerkrankungen. Bei einigen hämatologischen Neoplasien, wie beim multiplen Myelom oder Mantelzelllymphom, ist die autologe Stammzelltransplantation ein fester Bestandteil der Standarderstlinientherapie. Auch bei einigen nichtmalignen Erkrankungen wie der progressiven systemischen Sklerose oder multiplen Sklerose gewinnt die autologe Stammzelltransplantation an Bedeutung.

Was sind die verschiedenen Phasen einer Stammzelltransplantation?

HERR PROF. BARANISKIN Die heutzutage bevorzugte Methode zur Gewinnung von CD34+-Zellen ist die periphere Stammzellgewinnung durch Apherese nach einer sogenannten Stammzellmobilisierung. Da unter physiologischen Bedingungen im peripheren Blut nur sehr geringe Mengen der hämatopoetischen Stammzellen zirkulieren, muss bei der Stammzellapherese eine gesteigerte Freisetzung (Mobilisierung) der Stammzellen aus dem Knochenmark erfolgen. Durch Kombination einer nicht stammzelltoxischen konventionellen Chemotherapie (beispielsweise Cyclophosphamid) mit der anschließenden Gabe von hämatopoetischen Wachstumsfaktoren – zum Beispiel G-CSF (Granulozytenkolonie stimulierender Faktor) – wird ein Proliferationsreiz auf das Knochenmark gesetzt, der eine maximale Mobilisierung der Stammzellen in die Zirkulation ermöglicht. Die gewonnenen Stammzellen werden Patienten nach einer aggressiven Therapie wieder reinfundiert. Sie ermöglichen eine Intensivierung der zytostatischen Therapie bis in den Bereich der irreversiblen Knochenmarkschädigung, der sogenannten Myeloablation. Die Retransfusion autologer Stammzellen bewirkt, dass die langanhaltende Phase der Knochenmarkdepression auf etwa acht bis zwölf Tage nach Reinfusion verkürzt wird.

Was ist Ihrer Erfahrung nach das Nadelöhr im Apherese-Workflow?

HERR PROF. BARANISKIN Da sind wir verschiedenen Herausforderungen ausgesetzt: Leider können wir nach der zytotoxischen Stammzellmobilisierung nicht genau abschätzen, ob ausreichend Stammzellen gebildet wurden oder an welchem Tag das passieren wird. Es bedeutet, dass in einigen Fällen die Stammzellen sehr schnell und gut mobilisiert werden können und manchmal müssen wir erheblich länger auf den „Erntetag“ warten. Um den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, messen wir dann täglich die Stammzellen. Die Methode dafür ist derzeit die Durchflusszytometrie. Leider ist dies zeitaufwendig und bindet das Fachpersonal. Vom Ergebnis hängt in der Regel ab, ob Patienten einen zentralen Zugang (Sheldon-Katheter) auf der Intensivstation bekommen sollen und ob ein Bett in der Aphereseabteilung und ein Apheresegerät freigehalten werden müssen. Solange wir auf die Stammzellzahl warten, werden also erhebliche personelle und technische Kapazitäten gebunden. Eine Messmethode, die die Stammzellzahl innerhalb von wenigen Minuten angeben könnte, ist somit wünschenswert.

In der Studie vergleichen Sie die XN Stem Cells- Messung mit der Referenzmethode. Was waren Ihre Beobachtungen?

HERR PROF. BARANISKIN Wir wollen prüfen, wie die Korrelation der Bestimmung der Stammzellen der XN-Serie mit dem aktuellen Goldstandard, der Immunphänotypisierung auf CD34+-Zellen, bei verschiedenen hämatologischen Erkrankungen übereinstimmen. Die Studiendaten sind noch nicht komplett ausgewertet. Was wir jetzt aber schon feststellen konnten, ist zum einen, dass die Ergebnisse von Durchflusszytometrie und XN Stem Cells insgesamt sehr gut miteinander korrelieren und dass die Korrelation bei Nicht-Myelomerkrankungen höher ist. Wenn wir die ersten vier Tage bei Nicht-Myelomerkrankten betrachten, dann sehen wir eine fast 1:1-Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Durchflusszytometrie. Zum anderen können wir sagen, dass der nützlichste Einsatz der XN Stem Cells zu Beginn des Apheresezeitraums liegt, wie etwa ab Tag elf bei der zytotoxischen Mobilisierung mit Cyclophosphamid oder ab den Tagen fünf bis sechs bei der Steady-state-Mobilisierung mit G-CSF. Momentan führe ich an diesen Tagen bei Nicht-Myelombetroffenen zunächst nur die Messung mittels XN Stem Cells durch. Wenn ich Stammzellmengen von unter 10/μl feststelle, verzichte ich auf Messung der Durchflusszytometrie und wiederhole die Messung an der XN-Serie am Tag danach.

Was kann ausschlaggebend für Sie sein, die XN Stem Cells-Applikation in die Laborroutine einzubinden?

HERR DR. ÖZÇÜRÜMEZ Die Durchflusszytometrie ist ein komplexes Untersuchungsverfahren, für das speziell geschultes Personal erforderlich ist. Wir sind ein 24/7-Routinebetrieb und brauchen Lösungen, die die Spezialdiagnostik komplementär ergänzen. Die Bedienung und Interpretation der Ergebnisse des XN sind simpel und lassen sich einfach in den Routinebetrieb integrieren. Geschätzt dauert die Erklärung der Applikation ungefähr 20 Minuten, wenn man die XN-Serie kennt. Es ist keine Probenvorbereitung wie Waschschritte oder Zentrifugation nötig. Röhrchen aufmachen, Modus einstellen, ansaugen, fertig. Dadurch werden im Labor wertvolle Personalressourcen frei und wir können uns auf die wirklich speziellen Themen der hämatoonkologischen Diagnostik fokussieren. Auch aus wirtschaftlicher Sicht sind alternative oder komplementäre Verfahren zur Durchflusszytometrie interessant. Die beschleunigte Diagnostik verkürzt Wartezeiten innerhalb des Behandlungspfads und es entsteht sozusagen eine Win-win-Situation: Wir in der Routine sind immer für die Einsendenden und Betroffenen da – schnell, innovativ und mit höchster Qualität.

Welche weiteren Parameter sind für die Transplantation von Stammzellen hilfreich?

HERR DR. ÖZÇÜRÜMEZ Es ist wichtig, dass bereits die Befunde aus dem Blutbild möglichst viele Hinweise zum Gelingen der HSCT geben. Zum Beispiel die Leukozytenwerte, die während einer Chemotherapie oft sehr niedrig sind. An dieser Stelle kann der Low WBC-Modus helfen. Oder wenn es um die Überwachung der Erholung des Knochenmarks geht, können wir den IRF zu Hilfe nehmen, der uns die frisch gebildeten Retikulozyten im Knochenmark angibt. Der PLT-F-Wert ermöglicht eine noch genauere Messung der Thrombozytenzahlen selbst bei Konzentrationen an der Transfusionsschwelle und erleichtert so wichtige klinische Entscheidungen. Sehr hilfreich ist auch die Bestimmung des IPF (Anteil unreifer Thrombozyten). IPF gibt die frisch aus dem Knochenmark freigegebenen Thrombozyten an und ist ein Marker für das erfolgreiche Angehen von Megakaryozyten. Um Infektionen in dieser Hochrisikogruppe zu erkennen, können neuere Parameter, wie die Reaktivität der Neutrophilen oder das Delta-Hämoglobin, hinzugezogen werden. Sie weisen sehr schnell und bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt – noch vor den üblichen klinisch-chemischen Markern – auf eine Infektion hin. So können entsprechende Therapiemaßnahmen sofort eingeleitet werden.

Summary

  • Eine neue Studie im Zusammenhang mit verschiedenen hämatologischen Erkrankungen vergleicht die Genauigkeit bei der Bestimmung von Stammzellen der schnelleren XN Stem Cells-Methode mit dem aktuellen Goldstandard, der Immunphänotypisierung auf CD34+-Zellen
  • Die endgültigen Resultate der Studie liegen noch nicht vor, es sieht aber so aus, also ob die XN Stem Cells-Methode eine hohe Genauigkeit aufweist

 

Fotoquelle: istock; Stimmungsfänger.de, studioline Berlin 6 GmbH & Co KG

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